Doch was ist das eigentlich?
Die Arthrose ist eine der häufigsten Alterserscheinungen, die mit einem Verlust von Knorpelsubstanz und daher einem chronischen „Verschleiß“ eines Gelenks einhergeht. Hierbei muss aber klar unterschieden werden, ob es sich um eine gewöhnliche Altersabnutzung oder einen pathologischen Schwund handelt. Ein Gelenk verbindet mindestens zwei Knochenenden miteinander und lässt diese gegeneinander bewegen. Zwischen den Knochen liegt ein Gelenkknorpel sowie Gelenkflüssigkeit, die Synovia (auch bekannt als „Gelenkschmiere“). Diese schützen den Knochen vor Reibung und somit auch vor Abnutzung. Reibt man gesundes Knorpelgewebe aneinander und im Gegenzug dazu Eis auf Eis, so beträgt der Friktionskoeffizient (Friktion beschreibt die bei Bewegung entstehende Reibung) der Knorpelschichten nur etwa 1/5 des Wertes des Vergleichmaterials. Ist das zu glauben? Es gibt kein vergleichbares industriell hergestelltes Material, das mit den Eigenschaften des Gelenkknorpels mithalten kann. Leider verheilt hyaliner Knorpel nur begrenzt im Vergleich zu Knochensubstanz. Ist der Knorpel also erstmal beschädigt, steigt die Belastung für die Knochen. Der Knorpel kann den Druck schlechter verteilen. Der Körper reagiert nun und bildet knöcherne Auswüchse, Osteophyten. Die Beweglichkeit des Gelenks nimmt ab, es sind Entzündungsreaktionen möglich. Im Spätstadium hat sich der Knorpel stark zurückgebildet, bis der Knochen freiliegt und Knochen an Knochen reibt. Die Betroffenen haben starke Schmerzen und das Gelenk versteift zunehmend.
Was kann ich dagegen tun?
Zunächst die schlechte Nachricht: Arthrose ist nicht heilbar, es lässt sich lediglich ein Fortschreiten verhindern und die Beschwerden können gelindert werden. Die gute Nachricht lautet: Es gibt eine Reihe konservativer Behandlungen, die eine operative Versorgung verhindern oder zumindest lange hinauszögern können. Operative Verfahren, wie das Einsetzen eines künstlichen Gelenks oder Korrekturen von Fehlstellungen nehmen einen eigenen Blogartikel ein. Heute möchte ich beginnen über mögliche konservative Therapiemaßnahmen zu sprechen.
Die entscheidende Frage: Physiotherapie oder Analgetika?
Die Antwort heißt: Physiotherapie. Doch leider wird viel zu häufig zu Schmerzmitteln gegriffen, anstatt das Problem aktiv anzugehen. Erkenntnissen zufolge gelten folgende Richtlinien zur Behandlung von Arthrose: Patientenaufklärung, Bewegungstherapie und Gewichtsreduktion (falls notwendig). Studien belegen jedoch, dass nur einem Drittel der Patienten dies angeboten wird und stattdessen Analgetika wie z.B. Paracetamol verschrieben werden. Warum haben Betroffene Angst sich zu bewegen und damit „noch mehr kaputt zu machen“? Bewegung führt bei den Patienten zu Schmerzen, die logische Schlussfolgerung: weniger Bewegung.
Warum aber genau das falsch ist, möchte ich nun kurz beschreiben. Es gibt wohl kaum einen Sportler, der folgenden Satz nicht kennt: use it or lose it! Die meisten beziehen diesen Grundsatz nur auf die Muskulatur. Werden Muskeln nicht benutzt, „verkümmern“ sie. Warum sollte es gut sein Muskeln zu belasten, das Gelenk aber nicht? Der Knorpel wird durch die Synovialflüssigkeit ernährt, da dieser keine Nerven- oder Blutgefäße aufweist. So wird die Gelenkschmiere ausgepresst, wenn der Knorpel belastet wird und bei Druckentlastung wird sie dann wieder aufgenommen. Anders gesagt: Wenig Belastung führt dazu, dass der Knorpel nicht ausreichend genährt wird und somit seine Funktion verliert. Daher sind therapeutische Übungen sehr sinnvoll im Bezug zur Qualität von Knorpelgewebe.
Deshalb gilt auch bei Arthrose die Devise: Aktiv statt passiv – use it or lose it!
Wenn wir schon dabei sind, Bewegung wirkt entzündungshemmend.
Warum ich das im Zusammenhang mit Arthrose anspreche? Das kannst Du im nächsten Blogartikel lesen.
Deine Annika Reichenberger (staatl. geprüfte Physiotherapeutin, B. Sc. Integrative Gesundheitsförderung)
Quellen:
- Kollrack, Yvonne Maria Bernadette (2004): Zonenspezifische Deformation im hyalinen Gelenkknorpel: Abhängigkeit von Last und Oberflächenintegrität. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
- Thorlund JB, Roos EM, Goro P, et al.: Patients use fewer analgesics following supervised exercise therapy and patient education: an observational study of 16 499 patients with knee or hip osteoarthritis, British Journal of Sports Medicine, Published Online First: 21 September 2020. doi: 10.1136/bjsports-2019-101265
- Caneiro JP, O’Sullivan PB, Roos EM, et al.: Three steps to changing the narrative about knee osteoarthritis care: a call to action, Br J Sports Med 2020; 54:256–258, Published Online First: 4 September 2019; doi:10.1136/bjsports-2019-101328
- Physio Meets Science, Hrsg. „Was Sie über Gelenkknorpel und Belastung wissen sollten“, 6. Januar 2021