Wie du in dem vorangegangen Fallbeispiel lesen konntest, gibt es nicht nur diese eine Ursache, weshalb ein Gelenkknorpel Schaden nehmen kann. Welche möglichen Risikofaktoren gibt es also?
Zuerst ist hierbei Übergewicht zu nennen. Die Gelenke müssen mehr Gewicht tragen und werden dadurch dauerhaft überlastet. Das Risiko einer Knie-Arthrose ist bei Übergewicht doppelt so hoch und das bereits ab fünf Kilo. Zusätzlich zum Verlust der Knorpelmasse aufgrund der erhöhten Belastung, ist auch die Entzündungsrate deutlich höher bei Menschen mit hohem BMI-Wert. Eine Überlastung erfahren Gelenke aber auch bei einseitigen Belastungen, wie es sie oftmals im Beruf (z.B. häufiges Knien: Fliesenleger, Gärtner) oder im Leistungs-/Mannschaftssport (z.B. Marathonläufer, Ballsport) gibt. Die Überbelastung führt dann zu einer mechanischen Destruktion des Knorpels. Warum Bewegungsmangel die Knorpelregeneration hemmen kann und damit als weitere Ursache gilt, kannst Du im Artikel vom 08.03.2021 nachlesen. Weitere Faktoren, die ich zwar nennen, aber in diesem Artikel nicht weiter beleuchten kann, sind:
- Fehlbelastung (Varus-/Valgusstellung z.B. im Kniegelenk, umgangssprachlich „X-/O-Beine“)
- Gelenkinstabilität (z.B. Meniskusläsion)
- traumatische Schädigung
- Infektionen (z.B. Osteomyelitis)
- Stoffwechselstörungen (z.B. Gicht)
- Aktivierung destruktiver Prozesse (z. B. rheumatische Erkrankungen)
- angeborene Fehlform der Gelenke/Schwäche (z.B. Hüftdysplasie)
- Alter, Geschlecht, genetische Veranlagung
Die genannten Risikofaktoren mechanische Überlastung, Übergewicht und Bewegungsmangel können neben weiterem gesundheitsschädlichem Verhalten (zuckerhaltige Ernährung, zu viel Bauchfett, Rauchen, Stress, etc.) im Körper Entzündungsprozesse auslösen. Sehr interessant ist auch die enzündungshemmende Wirkung (lokal, also im Gelenk + systemisch, den ganzen Körper betreffend) von Bewegung. Dies sollte unbedingt auch bei den entzündlichen Vorgängen der aktivierten Arthrose beachtet werden. Physische Aktivität hat großen Einfluss auf unser Immunsystem. Dabei spielt die Intensität und Dauer eine große Rolle. Während sehr hohe körperliche Anstrengung eher eine systemische Entzündungsreaktion auslöst und das körpereigene Immunsystem unterdrückt wird, sodass es nicht mehr richtig arbeiten kann, hat regelmäßiges, moderates Training einen antiinflammatorischen Effekt. Es ist somit entscheidend, ein gesundes Mittelmaß zu finden. Wie lange muss ich trainieren, um entzündungshemmende Effekte zu erzielen? Dafür reichen schon 20 Minuten. Die allgemeingültige Aktivitätsempfehlung der World Health Organization (WHO) für Erwachsene (18-64 Jahre) lautet so: mindestens 150 bis 300 Minuten pro Woche aerobe Aktivitäten von moderater bis hoher Intensität wie z.B. Treppen steigen oder auch 75 bis 150 Minuten Training mit hoher Intensität beispielsweise Joggen, Walken oder Schwimmen (Achtung: nicht bei aktivierter Arthrose siehe oben). Außerdem wird an mindestens zwei Tagen in der Woche ein umfassendes Krafttraining empfohlen. Die Organisation rät älteren Menschen ab dem 65. Lebensjahr zudem das Gleichgewicht und die Koordination zu schulen sowie noch mehr Fokus auf die Muskelkraft zu legen.
In diesem Sinne kann ich mich nur folgender Aussage von WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus anschließen: „Körperlich aktiv zu sein, ist entscheidend für Gesundheit und Wohlbefinden – es kann dem Leben mehr Jahre und den Jahren mehr Leben bringen.“
Deine Annika Reichenberger (staatl. geprüfte Physiotherapeutin, B. Sc. Integrative Gesundheitsförderung)
Quellen:
Pinsger, M. Arthrose multidimensional behandeln. Manuelle Medizin 55, 88–93 (2017). https://doi.org/10.1007/s00337-017-0246-8
Bull FC, AlAnsari SS, Biddle S, et al. Br J Sports Med 2020;54:1451–1462.
Härter A., Gelenkbeschwerden durch Übergewicht, Universitätsmedizin Leipzig, IFB AdipositasErkrankungen, 09. September 2013
Wenzl, H.H. Körperliche Aktivität, Bewegung und Sport bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. J. Gastroenterol. Hepatol. Erkr. 16, 72–79 (2018). https://doi.org/10.1007/s41971-018-0035-9
Pathologe 2011 · 32:183–192 DOI 10.1007/s00292-011-1419-1 Online publiziert: 17. April 2011 © Springer-Verlag 2011