„ICH HABE RÜCKEN“ - WELCHE STRUKTUREN SIND VERANTWORTLICH UND WARUM IST DIE GANZHEITLICHE BETRACHTUNG WICHTIG?

„Ich habe Rücken“ - welche Strukturen sind verantwortlich und warum ist die ganzheitliche Betrachtung wichtig?

Rückenbeschwerden sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Umfragen bestätigen dies immer wieder. So z.B. auch folgende Online-Umfrage, an der 1.009 Personen ab 18 Jahren teilgenommen haben. Nur 23% der Befragten gaben an, in den letzten sechs Monaten frei von Rückenleiden gewesen zu sein. Das bedeutet somit, dass 77% (!) unter Rückenschmerzen litten oder leiden, davon sogar 13% täglich.

Kreuzschmerzen können unterschiedlich klassifiziert werden. Wenn es um die Suche nach der Ursache geht, unterscheidet man zwischen spezifischem und nicht-spezifischem Rückenschmerz. Spezifische Beschwerden sind z.B. eine Wirbelkörperfraktur oder ein Bandscheibenvorfall. Neben den Faktoren, die den Körper betreffen können, sind auch psychische (Selbstwirksamkeit, Problemlösekompetenz) und soziale Aspekte (soziales Netzwerk, Arbeitsplatz/-bedingungen, Versorgungsstatus) bei der Entstehung und Dauer von Rückenleiden relevant, die einen nicht-spezifischen Kreuzschmerz auslösen können. Bei Rückenschmerzen muss der Mensch stets als Ganzes betrachtet werden. Hier reicht es nicht aus, nur den Rücken zu untersuchen und zu behandeln. Meistens ist es eben nicht nur dieser eine Krankheitsprozess, der immer wiederkehrende Schmerzen hervorruft. Auch die Dauer unterscheidet sich stark: Kurze Episoden (weniger als sechs Wochen) fallen unter die Gruppierung „akute Rückenschmerzen“, dauern diese länger als sechs Wochen an, spricht man von einen „subakuten“ Verlauf und bestehen die Symptome zwölf Wochen oder noch länger sind die Rückenschmerzen bereits „chronisch/chronisch rezidivierend“. Dabei sind die Schmerzen einmal mehr und einmal weniger intensiv und nach einer schmerzfreien Zeit von mindestens sechs Monaten treten diese wieder an derselben Stelle auf.

Es ist nun schon länger bekannt, dass ein bildgebendes Verfahren (Röntgen, Computertomographie, Magnetresonanztherapie bzw. Kernspintomographie) zur Diagnostik von Rückenschmerzen notwendig ist. Man spricht von „Überdiagnostik“, wenn die radiologische Bildgebung zu früh und vor allem aber zu unkritisch erfolgt.  Bei akuten nicht-spezifischen Rückenschmerzen ohne Verdacht auf einen riskanten Verlauf sollte erst nach einer Wartezeit von sechs Wochen radiologisch untersucht werden. Und warum sollte man so lange warten? Nicht nur der finanzielle Aspekt spielt eine Rolle, vielmehr geht es dabei um eine Schadensbegrenzung für den Patienten. Betroffene werden dadurch unnötig Röntgenstrahlen ausgesetzt. Darüber hinaus führen die festgestellten Befunde häufig zu nicht indizierten, invasiven Eingriffen. Des Weiteren kommt es oftmals zu Verunsicherungen, da MRT-Befunde alleine keine Erklärung über die Schmerzen geben. Die Bildgebung zeigt z.B. auch Bandscheibenvorfälle, die keine Symptome verursachen.

 

Welche Strukturen am Rücken können überhaupt Schmerz auslösen?

Um diese Fragen zu beantworten möchte ich zunächst auf die Anatomie und Physiologie des Rückens eingehen. Der Rücken besteht aus knöchernen Strukturen, Bandscheiben, Bändern, Muskulatur, Gefäßen und Nerven.

Die Wirbelsäule bildet das knöcherne Zentrum des Rückens. Sie besteht aus 24 freien Wirbeln: sieben Halswirbel, zwölf Brustwirbel und fünf Lendenwirbel. Dazu kommen dann noch fünf Sakralwirbel und drei bis fünf Steißbeinwirbel, welche im Kreuz- bzw. Steißbein miteinander verwachsen sind. Die vielen Wirbelkörper werden durch dazwischenliegende Bandscheiben und durch die Wirbelbogengelenke miteinander verbunden. Die Bänder der Wirbelsäule stützen ihre Gelenke und stabilisieren sie bei Bewegungen. Die Rückenmuskulatur kann man nochmal in eine oberflächliche und tiefe Muskulatur unterteilen. Die oberflächlichen Rückenmuskeln befinden sich zwar am Rücken, bewirken jedoch Bewegungen in den Schultern und unterstützen die Atmung. Die tiefen Rückenmuskeln liegen unter den oberflächlichen Muskeln. Sie wirken ausschließlich auf die Gelenke der Wirbelsäule.

Das Rückenmark ist eine „Bahn“ für die Nerven, welche durch den Wirbelkanal läuft und dadurch einen knöchernen Schutz erfährt. Vom Rückenmark zweigen die Spinalnerven ab, diese versorgen jeweils einen bestimmten Körperbereich (Segment). Jedes Segment wird von den Nervenwurzeln sensibel (Empfinden) und motorisch (Bewegungssteuerung) innerviert.

Diese aktiven und passiven Strukturen des Rückens haben vielfältige Aufgaben: das Rückenmark wird geschützt, eine aufrechte Kopf- und Körperhaltung wird ermöglicht, Bewegungen der Extremitäten werden unterstützt, sie helfen bei der Atmung und mechanische Kräfte werden abgefangen. Ist ein Bestandteil beschädigt oder funktionsunfähig können Schmerzen auftreten.

 

Der heutige Blogbeitrag soll als Themeneinführung für die nächsten Artikel dienen, um zunächst Wissen über die Anatomie des Rückens und Rückenbeschwerden ganz allgemein zu vermitteln. In den folgenden Artikeln möchte ich dann auf häufige Krankheitsbilder mithilfe von Fallbeispielen näher eingehen.

 

Deine Annika Reichenberger (staatl. geprüfte Physiotherapeutin, B. Sc. Integrative Gesundheitsförderung)

 

 

Quellen: