„RUNNERS KNEE“ – EIN HÄUFIGES SCHMERZSYNDROM

„Runners Knee“ – ein häufiges Schmerzsyndrom

Lisa (26 J.) geht leidenschaftlich gerne Joggen. Momentan ist sie dabei für einen Halbmarathon zu trainieren. Aus diesem Grund geht sie noch häufiger und auch weitere Strecken laufen. Die letzten Male fielen ihr aber sehr schwer, da nach wenigen Kilometern Schmerzen an der Außenseite des linken Kniegelenks auftraten. Nach Beendigung des Laufens verschwanden diese zunächst rasch wieder. Aufgrund ihrer Motivation ignorierte sie zunächst den Schmerz. Erst als sie die Beschwerden beim normalen Gehen, vor allem beim Bergabgehen, bemerkt, beschließt sie Rat von einem Sportmediziner einzuholen.

Nach Lisas Schilderung, einer gezielten Untersuchung des Kniegelenks, umgebender Gelenke und Muskulatur stellt der erfahrene Arzt die Diagnose „Läuferknie“.

Dabei handelt es sich um ein Schmerzsyndrom, dessen Ursache meist die Überbeanspruchung oder Fehlbelastung des Tractus iliotibialis ist. Die betroffene Sehnenplatte befindet sich an der Außenseite des Oberschenkels. Der Tractus zieht von dem Beckenknochen bis zur Außenseite des Schienbeinkopfes. Aufgrund des Verlaufs dessen Muskelsträngen ist der Tractus bei Bewegungen sowohl im Hüftgelenk als auch im Kniegelenk beteiligt. Deshalb muss in der Diagnostik und Therapie neben dem Kniegelenk auch das Hüftgelenk und die Wirbelsäule mitbetrachtet werden.

Der Arzt erklärt Lisa das Tractus-Syndrom folgendermaßen: Am Oberschenkelknochen befindet sich ein Knochenvorsprung, über den sich der Tractus beim Laufen vielfach verschieben muss. Wenn eine ständige Reibung stattfindet, wie z.B. bei einem Langstreckenlauf, entsteht eine Reizung des iliotibialen Bandes. Es gibt mehrere Ursachen für ein Läuferknie, weshalb nicht nur Läufer davon betroffen sind. Die Überlastung sowie die Fehlbelastung stellen wichtige Faktoren dar. Fehlbelastungen können die sogenannten O-Beine (Genu varum) oder Fußfehlstellungen (Senk-Spreizfuß, Hohlfuß) sein. Ausschlaggebend für einen physiologischen Bewegungsablauf ist auch die muskuläre Balance, ein Gleichgewicht im Zusammenspiel verschiedener Muskeln. Ein verändertes Verhältnis zwischen Muskulatur in der Kraftentwicklung und Dehnfähigkeit führt zu einer vermehrten Belastung. Betrachtet man bei Patienten mit Läuferknie die Hüftmuskulatur, ist diese oftmals stark „verkürzt“. Meistens sind die sogenannten Abduktoren (Musculus gluteus medius und minimus und Musculus tensor fasciae latae) betroffen. Das hat zur Folge, dass die Sehnenplatte mit erhöhter Spannung über das Kniegelenk gleitet und somit eine Entzündung des Gewebes auslösen kann. Aber auch eine einseitig zu schwache Rumpf-/Gesäßmuskulatur kann die Struktur reizen. Ein Absinken der Hüfte auf der entgegengesetzten Körperseite verändert den Abstand zwischen Kniegelenk und den Muskelansätzen am Becken, was gleichzeitig den Zug am Ansatz des Tractus und somit die Reibung an der Außenseite des Kniegelenks erhöht. Übergewicht oder falsche Laufschuhe können weitere Ursachen darstellen.

Der Sportmediziner verschreibt Lisa ein Rezept für Physiotherapie und möchte einen Kontrolltermin vereinbaren. Eine weiterführende Diagnostik mit Ultraschall, Kernspin oder Röntgenbild ist zunächst nicht notwendig, es sei denn der Patient spricht nicht auf die Therapie an und es müssen andere Verletzungen ausgeschlossen werden, wie z.B. ein Meniskusriss oder ein Knorpelschaden.

 

Wie sieht die Therapie bei einem Tractus iliotibialis-Syndrom aus?

Die Physiotherapeutin empfiehlt zunächst, das Laufen zu reduzieren. Grundsätzlich soll sie auch nur so lange laufen, bis die ersten Schmerzen auftreten. Andere Sportarten wie Radfahren, Schwimmen und Fitnesstraining sind weiterhin möglich.

Der Therapieansatz muss anhand der individuellen Ursachen und/oder Beschwerden erstellt werden. Bei verkürzter Muskulatur ist daher eine intensive Dehnung von entscheidender Bedeutung. Eine zu schwache Muskulatur muss trainiert werden, um muskuläre Dysbalancen zu vermeiden. Des Weiteren ist es wichtig eine Ganganalyse durchzuführen, um etwaige Fehlbelastungen festzustellen und diese durch gezieltes Beinachsentraining, geeignete Laufschuhe und gegebenenfalls spezielle Einlagen auszugleichen. In schweren Fällen oder bei chronischen Verläufen kommen möglicherweise entzündungshemmende Tabletten oder Spritzen zum Einsatz. Läuferknie ist nicht gleich Läuferknie.

 

Deine Annika Reichenberger (staatl. geprüfte Physiotherapeutin, B. Sc. Integrative Gesundheitsförderung)

 

 

Quellen:

  • Bakodi, René. Das Läuferknie. Georg Thieme Verlag Stuttgart. 2017; 15 (02):43-47. doi:10.1055/s-007-33457